Kokoschka formte und überwachte zeitlebens mit Argusaugen sein Bild in der Öffentlichkeit. In seiner 1971 erschienenen Selbstdarstellung Mein Leben bewegt er sich zwischen Dichtung und Wahrheit. Dieses Vorgehen mag bei einer Autobiographie legitim sein, versucht doch der Mensch sein Leben rückblickend zu «gestalten». Problemtisch für die heutige Kokoschka-Forschung ist, dass der Künstler die Werke seiner Biographen Paul Westheim, Edith Hoffmann, Josef Paul Hodin, Hans Maria Wingler bis hin zu Heinz Spielmann nicht weniger «gestaltete». Der extremste Fall von Bevormundung eines Kunsthistorikers ist die Entstehung der Monographie Kokoschka – Life and Work von Edith Hoffmann-Yapou (1947). Die unveröffentlichte Korrespondenz zwischen der Autorin und dem Maler in der Zentralbibliothek Zürich sowie die radikalen Eingriffe in ihr Manuskript zeigen, dass Kokoschka der Kunsthistorikerin kein eigenes Urteil zugestand. Er strich ganze Passagen aus dem Manuskript und fügte seitenlange Einschübe hinzu. Nach vollendeter Arbeit schickte er Hoffmann das Manuskript mit den Worten zurück: «Hier sind meine Änderungen in Ihrem Buch. Wenn diese nicht wortgetreu in dieses Buch über mein Leben und meine Kunst aufgenommen werden, erteile ich nicht meine Zustimmung zur Veröffentlichung. Mein Anwalt wird Ihnen und dem Verlag Faber & Faber diesen meinen Vorhalt schriftlich mitteilen.» Kokoschka legitimierte sein Informationsmonopol mit dem Argument: «Welcher Augenzeuge ist verläßlicher denn der Künstler, der nicht bloss die kaleidoskopische Welt des Durchschnittsmenschen vor Augen hat, sondern der in der Sinnenwelt den Sinn sucht, die Gründe und Hintergründe!» Dass der «Fall Edith Hoffmann» kein Einzelfall ist, soll in meinem neuen Forschungsprojekt belegt werden.